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15Feb2003

City : Göttingen
Venue : Paulinerkirche
Address : Papendiek 14


Programm

Astor Piazzolla (1921 – 1992)

Tangos, Variationen über Buenos Aires für Orchester

Lento – Allegro – Lento – Allegro

Leitung: Christian Kirscht


Charles-Auguste de Bériot (1802 – 1870)

Ballett- Szene für Violine und Orchester, op. 100

Allegro vivace – Adagio cantabile – Tempo di Bolero – Valse. Moderato – Allegro apassionato

Solistin: Eva Bormann
Leitung: Christian Kirscht

-Pause-


Peter Tschaikowsky (1840 – 1893)

Andante cantabile für Violoncello und Streicher, op. posth.

Solist: Markus Hille
Leitung: Lothar Steinert


Franz Schubert (1797 – 1828)

Symphonie Nr. 8, h-moll
(“Die Unvollendete”)

Allegro moderato
Andante con moto

Leitung: Lothar Steinert


“Ich habe mein ganzes Leben für den Tango gearbeitet, jetzt hoffe ich, dass der Tango für mich arbeitet. Erst mit sechzig fing ich an, damit Geld zu verdienen”, so Piazzolla. Es war für Piazzolla nicht leicht, seine Arbeit für den Tango voran zu treiben. Das konservative Publikum in Buenos Aires begegnete seiner Musik, dem “Tango nuevo”, mit Zurückhaltung, Skepsis oder gar offenem Angriff. Der Tango war keine Liebe auf den ersten Blick. Nach Studien bei Alberto Ginastera und Hermann Scherchen lockte ihn erst Nadia Boulanger, die viel gerühmte französische Komponistin und Musikpdagogin, auf die richtige Fährte. Piazzolla besann sich auf seine kulturelle Identität. Der argentinische Bandoneonvirtuose und Komponist hat Tangos und Musik aus dem Geiste des Tangos in einem unverwechsel-baren Tonfall geschrieben. Gewissermaßen schon an der Art, wie die Türklinke betätigt wird, merkt man, dass es sich um Musik von Piazzolla handelt. In jeder Note ist auch, trotz harmonischer, melodischer und rhythmischer Bereichungen sowie der Einbeziehung von Elementen artifizieller Musik, zu spüren, dass die Musik die Fracht ihrer Herkunft mit sich trägt.
Im Gegensatz zu manchen anderen Virtuosen seiner Zeit war Bériot eine geradlinige Natur von ausgeglichenem Tempera-ment. Er hatte außer der Musik noch viele andere Interessen, war ein begabter Maler und Bildhauer, schrieb Gedichte und beschäftigte sich mit Geigenbau und -reparatur. Bériots Leben wurde von persönlichen Tragödien überschattet. Im März 1836 heiratete er die berühmte Sängerin Maria Felicitàs Malibran. Doch schon sechs Monate später stürzte die Sängerin vom Pferd und starb mit erst achtundzwanzig Jahren an inneren Verletzungen. 1843 wurde Bériot Professor für Geige am Konservatorium in Brüssel. Diese Stellung behielt er bis 1852, als er sie wegen des Nachlassens seiner Sehkraft aufgeben musste. 1858 war Bériot vollständig erblindet, und ein Arm war gelähmt.
Bériot hat Viottis “klassischen” französischen Stil mit System modernisiert. Dadurch aber, dass er sich vom eingefahrenen Formalismus der unmittelbaren Viotti Nachfolger Baillot, Rode und Kreutzer distanzierte, wurde er zum Standartenträger der franko-belgischen Geigenschule, die im weiteren Verlauf des 19. Jahrhunderts ihren rasanten Aufstieg nahm. Bériot war bekannt für seine Bravura, zu der das Springbogen-Spiel, Pizzicati der linken Hand, Flageoletts und Skordaturen gehörten. Einige dieser Elemente hat er auch In seiner “Ballett-Szene” aus dem Jahre 1855 verwendet. Bis heute machen angehende Geiger von seiner 1858 erschienenen “Grande Méthode” Gebrauch. Seine Kompositionen waren wegen ihrer gefälligen Melodien und der Art, wie sie den “singenden” Charakter der Geige betonten, seinerzeit sehr beliebt. Es hieß, man höre in seinen Stücken wie von ferne den Gesang seiner Frau.
In dem 1888 entstandenen, erst aus dem Nachlass edierten “Andante cantabile” griff Tschaikowsky auf sein 1. Streich-quartett op.11 von 1871 zurück. Er bearbeitete dessen lyrischen 2. Satz, dem ein russisches Volkslied zugrunde liegt, für seinen Theorieschüler, den nachmals berühmten Cellisten Anatoli Brandukow; dabei transponierte er den Satz von B-dur nach H-dur.
Nach der 6. Sinfonie C-dur D 589, die im Februar 1818 beendet wurde, fertigte Schubert in den folgenden Jahren mehrere Sinfonieskizzen an, von denen die E-dur Sinfonie am weitesten gedieh. Aber auch sie blieb ein Fragment. Sie hat dazu beigetragen, dass es bezüglich der Nummerierung von Schuberts Sinfonien viel Verwirrung gegeben hat. Indem man das E-dur-Fragment jetzt aus der “normalen Zählung” eliminierte, kam man zu der Zählung, in der die “Unvollendete” die Nr. 7 (ehemals 8 und als solche bekannt geworden) und die “Große” C-dur Sinfonie die Nr. 8 (ehemals 9) ist.
Die “Unvollendete” wurde 1822 geschrieben und Schubert hat neben den beiden vorliegenden Sätzen noch den Entwurf zu einem Scherzo angefertigt, von dem er noch neun Takte orchestrierte. Sie gehört neben Beethovens “Fünfter” zu den populärsten und meistgespielten Werken unserer Konzertsäle. Warum, erklärt uns Hugo Wolf in einer Kritik für das “Wiener Salonblatt” vom 13.4.1884: “Schuberts h-moll Symphonie, ein treues Spiegelbild der künstlerischen Individualität ihres Schöpfers, ist leider Fragment geblieben. So gleicht sie auch in ihrer Form dem äußeren Lebensgange des Meisters, der ja in der Blüte seines Lebens, in der Vollkraft seines Schaffens vom Tode hinweg gerafft wurde. Schubert hat nur ein halbes Menschenalter gelebt, als Mensch sowohl wie auch als Künstler. Sein Leben hat just ausgereicht, zwei in Inhalt und Form vollendete Symphoniesätze zu schreiben. (… ) Die h-moll Symphonie ist nicht nur knapper, einheitlicher in der Form als die in C-dur, in ihren Themen spricht auch der pathetische Schubert ebenso überzeugend, als der elegisch träumerische. Er gibt sich in ihr so vollständig, als in seinen Liedern, in denen er freilich das höchste geleistet.”
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Eva Maria Bormann wurde 1984 in Göttingen geboren. Sie ist Schülerin des Hainberg-Gymnasiums und wird dort im Mai ihr Abitur ablegen. Seit zehn Jahren hat sie Geigenunterricht bei Ulla Schimpf. Sie nahm mehrfach erfolgreich am Wettbewerb “Jugend musiziert” teil, zuletzt in der Duo-Wertung für Klavier und ein Streichinstrument. Anfang März wird sie mit ihrer Partnerin Trang-Tina Nguyen in Hannover beim Landeswettbewerb antreten.
Seit 1999 ist Eva Mitglied im Jugend-Sinfonie-Orchester Göttingen.

Markus Hille wurde 1982 in Jena geboren. Nach seinem Abitur am Felix-Klein-Gymnasium ist er zur Zeit Zivildienst-leistender bei der Kreisarchäologie Göttingen. Seinen ersten Cello-Unterricht erhielt er mit 9 Jahren bei Saskia Stolzenberg. Seit seinem 15. Lebensjahr ist er Schüler von Johann Sebastian Sommer. Markus hatte außerdem fünf Jahre lang Klavierunterricht bei Barbara Schäfer. Im Jahr 2001 errang Markus beim Landeswettbewerb “Jugend musiziert” zusammen mit seinen Klaviertriopartnern Alexander Fries (Vl) und Thora Swyter (Klav) einen zweiten Preis.
Markus ist seit 1998 Mitglied im Jugend-Sinfonie-Orchester Göttingen.