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03Okt1994

City : Göttingen
Venue : Aula der Freien Waldorfschule
Address : Arbecksweg 1


Programm

Edward Elgar (1857 – 1934)

Pomp and Circumstance Military March Nr.4 G-Dur, op.39
(gespielt zusammen mit ehemaligen JSO-Mitgliedern)

Leitung: Christian Kirscht


Carl Reinecke (1824 – 1910)

Konzert für Flöte und Orchester D- Dur, op. 283

1. Allegro molto moderato
2. Lento e mesto
3. Finale. Moderato

Solistin: Andrea Düwel
Leitung: Lothar Steinert

-Pause-


Peter Tschaikowsky (1840 – 1893)

Konzert für Violine und Orchester D- Dur, op.35

1. Allegro moderato – Moderato assai
2. Canzonetta. Andante
3. Finale. Allegro vivacissimo

Solistin: Sibylle Wolf
Leitung: Christian Kirscht


Edward Elgar (1857 – 1934)

Pomp and Circumstance Military March Nr.1 D-Dur, op.39
(gespielt mit ehemaligen JSO-Mitgliedern)

Leitung: Lothar Steinert


Carl Heinrich Carsten Reinecke: Konzert für Flöte und Orchester in D-Dur, op. 283
Im Alter von 84 Jahren schrieb Reinecke sein Flötenkonzert, das zu den wenigen Stücken zählt, die von ihm noch hin und wieder in Konzertsälen zu hören sind. Reinecke war seinerzeit ein bekannter und angesehener Musiker, der fünfzehn Jahre die einflußreiche Chefdirigentenstelle des Leipziger Gewandhausorchesters innehatte, bis 1875 A. Nikisch seinen Posten übernahm.

Stark beeinflußt ist seine Musik insbesondere durch Brahms, Schumann, Liszt und Mendelssohn, mit denen er auch freundschaftlich verkehrte. Das Konzert für die damals selten als Soloinstrument genutzte Flöte nimmt innerhalb von Reineckes Werken jedoch eine besondere Stellung ein, weil es sich aus dem romantischen Rahmen löst und eher impressionistische Stilelemente beinhaltet.

Schon im ersten Satz malt Reinecke mit ungewohnt leuchtenden Harmonie- und Klangfarben. Das lyrisch-schlichte erste Thema wird von den Violen vorgestellt und wandert dann durch die Streichergruppen; anfangs nur umspielt wird es von der Soloflöte erst in der Durchführung übernommen. Hiermit kunstvoll verknüpft ist das im Gegensatz dazu heftig-bewegte zweite Thema.

Der zweite Satz ist ein Lento mit düsterer Stimmung, die nur durch ein rhythmisch zuckendes Unisono des Orchesters unterbrochen wird.

Durchweg tänzerisch gestaltet ist das Finale, auch wenn es eine eher verhaltene Fröhlichkeit ist, die hier zum Ausdruck kommt. Wie auch schon im zweiten Satz haben die Bläser einen hohen Stellenwert innerhalb der Begleitung. Der majestätische Schluß wird durch ein langes Accelerando vorbereitet.

Peter Ilitch Tschaikowsky: Konzert für Violine und Orchester in D-Dur, op. 35
Das vorliegende Werk entstand März/April 1878 am Genfer See, wohin Tschaikowsky sich nach dem Zusammenbruch seiner unglücklichen Ehe zurückgezogen hatte. Zu einem Violinkonzert angeregt wurde er durch die “Symphonie espagnole” von Eduardo Lalo, die er dort mit dem Geiger Josef Kortek spielte, der ihm auch mit praktischen Ratschlägen zur Seite stand.

Eine erste faszinierende Wirkung erreicht das Konzert durch das großartige, kantable Hauptthema des Kopfsatzes, das in der Orchestereinleitung schon charakterisiert, aber erst von der Solovioline mit zarter (teilweise gezupfter) Begleitung eingeführt wird. Ebenso lyrisch sind die folgenden Seitengedanken, denen sich das Soloinstrument hingibt; durchwoben von ersten technischen Drahtseilakten und reinen Orchesterstellen mit fast symphonischem Charakter. Höhepunkt ist die einkomponierte brilliante Kadenz, die dem Solisten Gelegenheit gibt, seinem virtuosen Können Klang zu verleihen. Der ungewöhnlich kurze, verträumte Mittelsatz mit der Bezeichnung “Canzonetta” schwelgt in slawischer Melancholie und melodischer Expressivität und bietet so den Ausgleich zu den eher lebhafteren Ecksätzen. Attacca folgt auf die aushauchende Canzonetta mit einem “Peitschenknall” das fröhlich-derbe Finale, das bei der Uraufführung zynische Vergleiche mit “russischen Bauerntänzen” oder der “Lustigkeit eines russischen Kirchweihfestes” hervorrief (E.Hanslick).

Doch ebenso wie den ersten Satz durchziehen auch hier ungemein lyrisch-weiche Stellen das Geflecht musikalischer Heiterkeit.

Die ursprünglich in St.Petersburg geplante Uraufführung scheiterte an dem Solisten, der das Werk als “unspielbar” bezeichnete, und wurde erst 1881 durch Adolf Bronskij und den Wiener Philharmonikern unter Hans Richter in Wien nachgeholt, wo es eine unerwartet scharfe Ablehnung erfuhr. Der damalige Kritikerpapst E.Hanslick schrieb in seinem Verriß: “Hier wird nicht mehr Violine gespielt, sondern Violine gezaust, gerissen, gebläut.”

Heute gehört das Konzert zu den meist gespielten Stücken seiner Gattung – und wer kann bei dieser herrlichen Musik noch die Empfindungen des schon oben zitierten Kritikers nachvollziehen, die dieser in seiner Kritik formulierte: “Friedrich Vischer behauptete einmal bei einer Besprechung lasziver Schilderungen, es gäbe Bilder, die man stinken sieht. Tschaikowsky bringt uns zum ersten Mal auf die schauerliche Idee, ob es nicht auch Musikstücke geben könne, die man stinken hört!” ? Heute kann man vielmehr sagen, diese Komposition duftet wie ein abwechslungsreicher, kunstvoll zusammengestellter musikalischer Blumenstrauß.

Sir Edward Elgar: Pomp and Circumstance Military Marches Nr.1 in D-Dur und Nr.4 in G-Dur, op.39
Entstanden sind die fünf Pomp and Circumstance Marches in dem langen Zeitraum von 1901 bis 1930. Auffällig ist die feste Grundstruktur, nach der alle fünf Märsche aufgebaut sind: Die Kompositionen beginnen jeweils mit einem sehr rhythmischen, schmissigen Allegro, gefolgt von einem lyrischen Trio-Teil. Dieser Ablauf wird dann mit leichten Abänderungen in der Begleitung und Orchestrierung wiederholt.

Der für Elgar typische “virtuose Einsatz einer ganzen Palette orchestraler Klangfarben”, den Richard Strauß so bewunderte, spiegelt sich in diesen Märschen ebenso wider wie die Verbindung englischer Hochromantik mit dem Klassizismus.

Am bekanntesten ist wohl der Marsch Nr. 1, der seinen festen Platz im traditionellen Programm der britischen “Last Night of the Proms” (Abschlußkonzert der Londoner Abbonementreihe) hat. Auf Wunsch des Komponisten unterlegte der Dichter Arthur Benson den Trioteil mit dem Text “Land of Hope and Glory” und schuf damit ein Stück, das in Großbritannien fast den Rang einer Nationalhymne besitzt.

Elgars Werke haben außerhalb Großbritanniens keine so enthusiastische Verbreitung erfahren. Einen relativ hohen Bekanntheitsgrad erfreuen sich lediglich noch die Enigma-Variationen und das Violoncellokonzert.

Uraufgeführt wurden die Märsche (zumindest die Nummern 1 und 4) übrigens unter der Stabführung von ebendem Dirigenten Hans Richter, der auch die Uraufführung von Tschaikowskys Violinkonzert leitete.


Andrea Düwel wurde 1970 in Göttingen geboren. Im Alter von zwölf Jahren erhielt sie Querflötenunterricht, langjährig bei Veronika Schmidtke-Sieben. Nach dem Abitur studierte sie ein Jahr bei Gilles Gramaize in Paris und begann 1991 ihr Studium an der Hochschule für Musik und Theater in Hannover bei Lorenz Hellgardt. Seit 1993 ist sie in der Klasse von Matthias Perl. Andrea Düwel ist Mitglied in verschiedenen Jugend- und Studenten-orchestern. Im Jugend-Sinfonie-Orchester Göttingen spielte sie von 1989 – 1990.

Sibylle Wolf wurde 1970 in Hameln geboren und erhielt mit sieben Jahren ihren ersten Geigenunterricht bei Annette Neumann in Göttingen. Sie studierte nach dem Abitur bei Prof. Babara Koerppen an der Musikhochschule Hannover und bei Prof. Dr. Helmut Zehetmair am Mozarteum in Satzburg, wo sie die 1. Diplomprüfung mit Auszeichnung ablegte. Seit Oktober 1994 setzt sie ihr Studium bei Prof. Thomas Zehetmair in Graz fort. Im Jugend-Sinfonie-Orchester Göttingen gehörte Sibylle Wolf zu den Gründungsmitgliedern und wirkte bis 1989 mit.Beim Bundeswettbewerb “Jugend musiziert” 1988 errang sie den 1. Preis im Klavierduo. Sie nahm an Meisterkursen bei Helmut Zehetmair, Ljerko Spiller, Denes Zsigmondy und Valery Klimov teil. Als Solistin hatte sie Auftritte mit dem Göttinger Symphonie-Orchester und den Salzburger Musici. Sie ist Stipendiatin der Deutschen Musikinstrumentenstiftung in Hannover, Mitglied der Jungen Deutschen Philharmonie und im European Youth Orchestra sowie im neugegründeten Kammerorchester der Jungen Deutschen Philharmonie, mit dem sie am Mittwoch, dem 26. Oktober in der Aula am Wilhelmsplatz zu hören sein wird.